Meinungsbildung im Internet - Prof. Michael Mäs

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Meinungsbildung im Internet

Markus Breig, KIT
Prof. Michael Mäs, ITZ

„Es gibt Phänomene, die sich nicht direkt aus dem individuellen Verhalten erklären lassen“, sagt Michael Mäs. Vielmehr sei es möglich, dass die Mehrzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf einer Diskussionsplattform das eine will – zum Beispiel nicht polarisierend agieren –, aber durch das Zusammenspiel der einzelnen das andere – eine Meinungspolarisierung – passiert. „Das Verhalten einzelner, das wiederum das Verhalten anderer beeinflusst, kann in einer Reaktionskette sehr überraschende Ergebnisse hervorbringen“, betont der Wissenschaftler. Am Computermodell lasse sich dieser dynamische Prozess der Interaktion durch Informationskaskaden in großen sozialen Netzwerken zeigen, so Mäs.

„Mit computergestützten Verfahren begeben wir uns auf die Suche nach besseren Methoden für die Sozialwissenschaft“, sagt der Soziologe und wissenschaftliche Leiter des Methodenlabors am House of Competence des KIT. „Datenanalyse ermöglicht es, zu verfolgen, wie sich Meinungen und Themen in einem sozialen Netzwerk verbreiten, und mit Computermodellen lässt sich der Blick wie mit einem Teleskop auf gesellschaftliche Phänomene richten, um sie sichtbar zu machen, plausibel darzustellen und ihre Dynamiken zu verstehen.“

„Wo wir früher auf klassische Umfragen und verbale Theorien angewiesen waren, steht mit Methoden der Informatik und der Mathematik ein wesentlich präziseres Instrument zur Verfügung, mit dem wir hoffen, die digitale Interaktion besser verstehen zu können“
, sagt der Experte. Er untersucht komplexe Systeme, darunter soziale Netzwerke im Internet mit formalen Ansätzen wie der agenten-basierten Modellierung und quantitativen Methoden der Sozialforschung wie Umfragen, Labor- und Feldexperimenten. Interdisziplinär forscht er gemeinsam unter anderem mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Ökonomie, Physik, Biologie und Informatik.

Mäs rät dazu, das „weltweite große Experiment“ der Social-Media-Technologie weder zu verdammen, noch zu verharmlosen, sondern diese „zu erforschen, um sie zu verstehen“ und aufzuklären, wie viel sie tatsächlich zur Polarisierung von Gesellschaften oder zum Entstehen von Meinungsblasen beiträgt. Vor seinem Ruf an das KIT forschte Mäs als Assistent Professor an der Universität Groningen in den Niederlanden und zuvor als Postdoc an der ETH Zürich. In dem 2018 gestarteten DFG-geförderten Projekt ToRealSim (steht für „Towards realistic computational models of social influence dynamics“) niederländischer, französischer, britischer und deutscher Forschender beschäftigt er sich mit komplexen Mikro-Makro-Interaktionen, um die gesellschaftliche Meinungsdynamik zum Beispiel zu Fragen der Klima- und Migrationspolitik besser zu verstehen.

afr

Der Presseservice des KIT stellt gerne den Kontakt zwischen Journalisten und Prof. Michael Mäs her.

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Illustration: Michael Mäs, KIT
Foto Prof. Michael Mäs: Markus Breig, KIT