Dr. Matthias Schröder: Besseres Verständnis vom Aufbau der Materie

  • Datum: 12.06.2018
  • Sehr geehrte Damen und Herren,


    ein großer Schritt zum besseren Verständnis des Aufbaus unserer Materie ist Forscherinnen und Forschern des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) gemeinsam mit einem internationalen Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gelungen: Erstmals haben sie die Entstehung eines Higgs-Bosons mit zwei Top-Quarks beobachtet.


    Was bedeutet das? Der Reihe nach: Seit 2010 lassen Physiker im leistungsstärksten Teilchenbeschleuniger der Welt, dem Large Hadron Collider (LHC) bei Genf, die Kernbausteine Protonen aufeinanderprallen. Warum die dabei entstehenden kleinsten bekannten Bausteine alles Stofflichen, etwa Quarks und Elektronen, unterschiedliche Massen haben, war bis zur Entdeckung des jüngsten Mitglieds der Elementarteilchen-Familie – dem Higgs-Boson – im Jahr 2012 ein Rätsel.


    Seitdem vermuten die Wissenschaftler, dass die unterschiedlichen Teilchen-Massen durch deren verschieden starke Wechselwirkung mit dem Higgs-Feld entstehen, dem Higgs-Mechanismus. „Diesen Mechanismus kann man sich vereinfacht so vorstellen: Teilchen bewegen sich durch das Higgs-Feld und erfahren dabei einen Widerstand, sie werden dadurch träge, was wir als Masse interpretieren“, erklärt Matthias Schröder vom Institut für Experimentelle Teilchenphysik (ETP) am KIT. „Das Higgs-Boson selbst erzeugt also nicht die Masse der anderen Teilchen, sondern die Massen werden wie beschrieben durch das Higgs-Feld erzeugt, was wir Kopplung nennen. Aber: Die Existenz des Higgs-Feldes führt zwingend zur Existenz des Higgs-Bosons. Somit kann man umgekehrt aus der Existenz des Higgs-Bosons schließen, dass es auch ein Higgs-Feld gibt“, so Schröder. Wenn also Teilchen mit dem Higgs-Boson koppeln, beweist das, dass auch sie dem Higgs-Mechanismus unterliegen. Jetzt konnten Wissenschaftler erstmals die Entstehung eines Higgs-Bosons mit zwei Top-Quarks beobachten. Der Lösung des Rätsels um die unterschiedlichen Massen der Teilchen sind sie damit einen großen Schritt näher gekommen.


    „Die Top-Higgs-Kopplung liefert uns auf diesem Weg weitere Informationen.“ Dass das Higgs-Teilchen besonders stark an das Top-Quark, das schwerste der bekannten Elementarteilchen, koppelt, bestätigt eine wichtige Vorhersage des Standardmodells der Teilchenphysik. „Das Modell beschreibt bisher mit hoher Präzision Ergebnisse aus Labormessungen, aber es gibt viele Hinweise auf eine neue Physik, die nicht durch das Standardmodell beschrieben werden kann, zum Beispiel die Gravitation oder die aufgrund kosmologischer Messungen vermutete Dunkle Materie. Um Erkenntnisse über die Art dieser neuen Physik zu gewinnen, ist es eine der Hauptaufgaben des LHC, nach Bestätigungen sowie Abweichungen vom Standardmodell zu suchen.“


    Eine zentrale Vorhersage des Standardmodells bezüglich des Higgs-Sektors ist nun, dass die Wechselwirkung eines Teilchens mit dem Higgs-Boson abhängig von seiner Masse ist: Schwerere Teilchen koppeln stärker an das Higgs-Boson. Dies wurde durch das jetzt beobachtete Ergebnis für das Top-Quark bestätigt. „Das Problem ist, dass wegen deren großer Masse nur ein Prozent aller Higgs-Bosonen zusammen mit einem Top-Quark-Paar produziert wird“, sagt der Experte. „Zudem zerfallen sowohl die Top-Quarks als auch das Higgs-Boson nahezu sofort wieder in weitere Elementarteilchen“, so Schröder. Um den gewünschten Entstehungsprozess von gleichzeitigen Abläufen, die etwa 1500-mal häufiger vorkommen, für den Detektor aber praktisch genauso aussehen, überhaupt abzugrenzen, haben Forschungsgruppen in jahrelanger Kleinarbeit, aus sämtlichen Proton-Proton-Kollisionen, die der Teilchendetektor des Compact-Muon-Solenoid-Experiments (CMS) am LHC zwischen 2011 und 2017 gemessen hat – etwa 4 Billiarden –, die interessantesten herausgefiltert. Ein großer Teil dieser Arbeit wurde in Karlsruhe bewältigt.


    Ihre Ergebnisse haben die CMS-Forscher in der Fachzeitschrift „Physical Review Letters“ (doi: 10.1103/PhysRevLett.120.231801) veröffentlicht.


    Für weitere Informationen stellt die Pressestelle des KIT gern Kontakt zu Matthias Schröder her. Bitte wenden Sie sich an Margarete Lehné, Tel. 0721 608-21157, margarete.lehne@kit.edu oder an das Sekretariat, Tel. 0721 608-47414, E-Mail an presse@kit.edu.


    Im Portal „KIT-Experten“ finden Sie weitere Ansprechpartner zu Highlights aus der Forschung des KIT sowie zu tagesaktuellen Themen: https://www.sek.kit.edu/kit_experten.php

     

    Freundliche Grüße

     

    Karlsruher Institut für Technologie (KIT)

    Strategische Entwicklung und Kommunikation (SEK)

     

     

    Monika Landgraf

    Leiterin Gesamtkommunikation

    Pressesprecherin

     

    Kaiserstraße 12

    76131 Karlsruhe

    Telefon: +49 721 608-21105

    Fax: +49 721 608-43658

    E-Mail: presse@kit.edu

    www.kit.edu

     

    KIT – Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft

     

    Das KIT ist seit 2010 als familiengerechte Hochschule zertifiziert.