Porträt: Amadeus Bramsiepe, KIT Foto: Amadeus Bramsiepe, KIT

Quantentechnologien - Prof. Wolfgang Wernsdorfer

  • Die Entwicklung von Quantencomputern gehört zu den ehrgeizigsten Forschungsvorhaben der heutigen Zeit. Der Experimentalphysiker verbindet die Suche nach einem besseren Verständnis quantenmechanischer Phänomene mit dem Blick auf mögliche Anwendungen in Quantenrechnersystemen.

Nanomagnete für Quantenschaltkreise

Porträt: Amadeus Bramsiepe, KIT Amadeus Bramsiepe, KIT

„Es geht nicht darum, den klassischen Computer zu ersetzen, sondern darum, eine neue, astronomisch bessere Maschine zu entwickeln, die Probleme löst, die der herkömmliche Rechner nicht lösen kann“, sagt Wolfgang Wernsdorfer, der seit 2016 eine Alexander von Humboldt-Professur am Physikalischen Institut des KIT innehat. Möglich werden soll dies durch Quantenbits, kurz Qubits, als kleinster Speichereinheit, die im Unterschied zum klassischen Computerchip nicht nur mit binären Informationen - 0 oder 1, an oder aus - arbeiten, sondern bei denen es auch Werte dazwischen gibt, die auf der quantenmechanischen Überlagerung von Zuständen beruhen. Dadurch könnten sehr viele Rechenprozesse gleichzeitig ablaufen. Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist es, Materialien zu entwickeln, deren quantenmechanische Effekte sich in Rechnersystemen nutzen lassen.

Im Mittelpunkt von Wernsdorfers Forschung steht die molekulare Quanten-Spintronik, ein Gebiet der experimentellen Festkörperphysik, bei dem sich Chemie und Materialwissenschaft überlappen. Das besondere Interesse des Wissenschaftlers, der zu den weltweit führenden Experten auf diesem Gebiet zählt, gilt der Grundlagenforschung zu Nanomagnetismus und Einzelmolekülmagneten sowie deren Einsatz in Quantenrechnersystemen. In bahnbrechenden Experimenten ergründete er, welche Rolle die Quantengesetze für molekulare Magnete spielen, und Wernsdorfers Forschungsgruppe war die erste, die Quanten-Spin-Zustände in einem Molekül messen und kontrollieren konnte. Molekulare Nanomagnete, so die Vision, könnten in künftigen Quantencomputern eingesetzt werden, um neuartige Schaltkreise zu bauen, in denen die Magnetisierung des Moleküls den elektrischen Strom steuert.

Der Experimentalphysiker leitet die Abteilung Quantenschaltkreise am Institut für QuantenMaterialien und Technologien (IQMT) des KIT. Dort werden in enger Verknüpfung von Theorie und Experiment Quantenphänomene in Festkörper- und Molekülsystemen untersucht, die - umgesetzt in neuartige Bauelemente - Bausteine künftiger Quantentechnologien werden könnten.

„Die Natur ist von Quantenmechanik beherrscht, die Idee ist es, einen Computer zu bauen, der die Sprache der Natur spricht, um Naturphänomene besser zu verstehen“, erklärt der Physiker. Eine Vorstufe des künftigen Quantencomputers könnten Quantensensoren sein, die beispielsweise Geschwindigkeit oder Druck zuverlässiger messen als herkömmliche Sensoren. Ein weiterer Schritt wären Quantensimulatoren, die über Aufbau und Eigenschaften neuer Moleküle für die Medizin oder Materialentwicklung Auskunft geben.

„Ich befasse mich besonders gerne mit Forschungsthemen, die neu sind und zu einem konkreten Nutzen führen, selbst wenn dies erst in zehn oder 20 Jahren soweit sein wird“, sagt der Physiker. Bereits als Doktorand in den 1990er-Jahren entwickelte er am Tieftemperaturlabor des Centre national de la recherche scientifique in Grenoble ein Messinstrument, mit dem er die magnetischen Eigenschaften dieser Nanomagnete vielfach genauer messen konnte als mit jedem kommerziellen Magnetometer. „Als Experimentalphysiker liebe ich es, Geräte zu bauen und zu optimieren, um Neues zu messen und zu finden, was keiner zuvor gefunden hat“, so Wernsdorfer. 2019 wurde er für seine Pionierarbeiten zu Nanomagnetismus und Einzelmolekülmagneten mit dem Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft ausgezeichnet. Für seine Untersuchungen zur optischen Manipulation und Charakterisierung molekularer Quantenbits erhielt der Spitzenforscher 2017, wie bereits 2008, einen Advanced Grant des Europäischen Forschungsrats. (afr)

Der Presseservice des KIT stellt gerne den Kontakt zwischen den Medien und Prof. Wolfgang Wernsdorfer her.

 

Fotonachweis:
Kryostat – Bildunterschrift: Wernsdorfer entwickelt Kryostaten um Quantenphänomene zu verstehen (Foto: Amadeus Bramsiepe, KIT)
Porträt Prof. Wolfgang Wernsdorfer, PHI: Amadeus Bramsiepe, KIT