
Human Enhancement - Christopher Coenen
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Medizin, nicht um zu heilen, sondern um den gesunden Körper des Menschen zu verbessern: Kann das funktionieren? Die Forscher vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse setzten sich mit einer womöglich grundlegender Veränderungen des Mensch-Technik-Verhältnisses auseinander.
Der Versuch, den Menschen zu perfektionieren
Höher, schneller, weiter – getreu dem olympischen Motto streben Menschen seit jeher danach, ihre Leistungen zu steigern und ihre Fähigkeiten zu verbessern. Die Urmenschen bauten sich Speere, um besser jagen zu können. Heute hilft der Computer bei der Verarbeitung von Daten und lässt uns schneller miteinander kommunizieren. Jüngeren Datums sind die Vorstellungen, auch Körper und Geist zu optimieren. Human Enhancement, die Steigerung menschlicher Leistungsfähigkeit oder auch „Verbesserung“ des Menschen, hat das Ziel, das ganze Potenzial des Körpers auszuschöpfen.
Besonders intensiv wurde in diesem Zusammenhang bereits über „Hirn-Doping“ mit Pharmazeutika diskutiert. Solange es darum geht, Krankheiten zu heilen oder die Gesundheit zu erhalten, sind die legal verfügbaren Medikamente auf ihre Wirksamkeit getestet. Anders verhält es sich, wenn Mittel wie Ritalin oder Modafinil verwendet werden, um die Leistungsfähigkeit gesunder Menschen zu steigern. Bessere Lernerfolge im Studium und eine höhere Leistungsfähigkeit im Beruf auf Knopfdruck? Laut Christopher Coenen vom ITAS ist die Faktenlage nicht ganz einfach. „Derzeit gibt es kaum verlässliche Angaben dazu, inwiefern Human Enhancement durch Medikamente bei gesunden Menschen überhaupt wirkt. Langzeitstudien gibt es keine.“ Nur einige der vieldiskutierten Substanzen erreichten überhaupt die Wirkung von Kaffee oder Tee, so der Experte weiter. „Helfen können diese Mittel zudem nur bei krankheitsähnlichen Zuständen wie etwa bei starker Übermüdung.“ Es bestehe zumeist die Gefahr von Nebenwirkungen wie Schlaflosigkeit, Bluthochdruck oder Persönlichkeitsveränderung. Auch über ein gewisses Suchtpotenzial bei der unkontrollierten Einnahme solcher Substanzen und andere Risiken wisse man derzeit noch zu wenig.
In den letzten Jahren habe ein ‚Hype’ in Bezug auf diese Substanzen gegeben. So wurden durch falsche oder nicht eindeutige Aussagen teils Erwartungen geweckt, die nicht dem Stand der Forschung entsprechen. Das gilt für Massenmedien, aber auch für Fachbeiträge. Zwar zeichne sich hier eine Wende hin zu einem sachlicheren Umgang ab, betont Coenen, das Kind sei aber womöglich bereits in den Brunnen gefallen und eine große Zahl von Menschen erst durch die wissenschaftliche und massenmediale Diskussion auf die Mittel aufmerksam geworden.
Sehr stark spekulativ seien oft auch die Diskussionen über die Nutzung von Bio, Neuro-, Informations- und Nanotechnologien in diesem Zusammenhang. Hier haben wir es zudem mit sehr weitreichenden Zukunftsvorstellungen einer Umgestaltung oder gar Überwindung des Menschen zu tun.
Zur Arbeit des ITAS zum Thema Enhancement betont Coenen: „Das Institut will einerseits die stark visionären Diskussion auf den Boden der Tatsachen herunterbringen. Andererseits nehmen die Forschenden am ITAS die Technologien, um die es in der Diskussion geht, sehr ernst und betrachten zudem auch die Hoffnungen, Ängste und Fantasien, von denen die Debatte geprägt wird, als Anzeichen womöglich grundlegender Veränderungen des Mensch-Technik-Verhältnisses." (bam)
Der Presseservice des KIT stellt gerne den Kontakt zwischen den Medienund Christopher Coenen her.
Fotonachweis:
Foto Skulptur Gehirn: Gabi Zachmann, KIT
Portrait Christopher Coenen, ITAS: Christin Bamberg