Roland Bless: "Darknet" - Hort der Kriminalität oder der Freiheit

  • Datum: 10.05.2017
  • Sehr geehrte Damen und Herren,

    der Tag der globalen Informationsgesellschaft am 17. Mai (World Telecommunication and Information Society Day, WTISD 2017) zeigt, welchen Stellenwert moderne Informationstechnologien in unserem Alltag bereits einnehmen. Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) arbeiten an vielfältigen Aspekten der Digitalisierung bis zu deren gesellschaftlichen Auswirkungen etwa von Internet, Industrie 4.0, Smart Data oder auch Darknet.

     

    Mit dem Begriff „Darknet“ verbinden viele dunkle Geschäfte mit Drogen, Waffen und anderen illegalen Aktivitäten, die in den dunklen Ecken des Internets stattfinden. Die Wirklichkeit ist banaler: „Zunächst einmal bezeichnet der Begriff „Darknet“ lediglich einen Teil des Internets, bei dem die Identität der Teilnehmer im Dunkeln bleibt und dessen Inhalte die meisten Suchmaschinen nicht kennen“, sagt Dr. Roland Bless vom Karlsruher Institut für Technologie. Dieser Bereich werde auch keineswegs ausschließlich für illegale Machenschaften genutzt, so der Internet-Experte. Das Darknet sei per se weder gut noch böse, es verspreche den Nutzern im Wesentlichen eines: Anonymität.

     

    Das Darknet besteht aus Web-Servern, die über anonymisierende Netze wie Tor erreichbar sind. Gewöhnliche Webbrowser wie Firefox, Safari oder Google Chrome können darauf gar nicht erst zugreifen. So wird verhindert, dass Dritte Informationen über den Standort beziehungsweise die Identität des Nutzers und seine Surfgewohnheiten abgreifen. „Das Tor-Netz (torpject.org) bildet als sogenanntes ‚Overlay-Netz‘ ein eigenes logisches Netz oberhalb der normalen Internetinfrastruktur und verschleiert durch die Verkettung von mehreren Tor-Servern (auch „Tor-Knoten“ genannt) von welchem Rechner oder Smartphone aus auf welche Inhalte zugegriffen wird, ebenso wie den Server- Standort. Dazu werden die Informationen entsprechend verschlüsselt, so dass ein Abhören der Kommunikation im Netz keine Rückschlüsse auf Absender oder Empfänger zulassen“, erklärt Bless. Betrieben werde das Tor-Netz von Freiwilligen, welche die nötige Infrastruktur bereitstellen.

     

    Interesse daran, sich anonym im Netz zu bewegen, haben keineswegs nur Kriminelle, sondern neben gewöhnlichen Nutzern, die Wert auf Datensparsamkeit legen, insbesondere Journalisten, Whistleblower oder auch Menschen, die in Ländern mit repressiven Regierungen leben. In der Türkei etwa nimmt sich die Regierung das Recht heraus, Webseiten zu sperren, wenn die „nationale Sicherheit“ bedroht ist. Unlängst hat es nach Sperrungen bei Twitter, Facebook, Youtube, Whatsapp oder Skype sogar die Internet-Enzyklopädie Wikipedia getroffen. Das Darknet bietet Nutzern dann die Möglichkeit, trotzdem auf die Seiten zuzugreifen. „Die Nutzer tauschen sich durch die Anonymität ungezwungener aus, insofern wird die Meinungsfreiheit dort geschätzt und Themen diskutiert, die für das normale Web zu risikoreich sind“, sagt der Informatiker, der am KIT regelmäßig Vorlesungen zu Themen wie „Next Generation Internet“, „Netzsicherheit“ und „Multimediakommunikation“ hält.

     

    Einen hundertprozentigen Schutz biete aber auch das Darknet weder Dissidenten noch Gangstern: Denn die ersten beziehungsweise letzten Tor-Server der Kette haben Kenntnis über zumindest einen der Teilnehmer. „Staatliche Stellen können daher versuchen, Tor-Knoten zu unterwandern oder zu kontrollieren“, sagt Bless. Tor-Knoten werden daher regelmäßig nach ihrer Vertrauenswürdigkeit beurteilt und verdächtige Knoten aus dem Netz ausgeschlossen. Andererseits werde es durch die Anonymisierung auch schwerer, festzustellen, welche Informationen, Angebote oder Dienste vertrauenswürdig sind, da die Identität der Teilnehmer „im Dunkeln“ bleibt. „Natürlich gibt es auch kriminelle Plattformbetreiber, die versuchen, Kunden zu prellen und dann beispielsweise Waren, die schon bezahlt sind, nicht liefern.“ Ähnlich wie bei normalen Handelsplattformen im Internet, hülfen aber Reputationslisten und Wiki-Seiten um betrügerische Angebote zu entlarven.

     

    Für weitere Informationen stellt die Pressestelle des KIT gern den Kontakt zum Experten her. Bitte wenden Sie sich an Felix Mescoli, Tel.: 0721 608 48120, felix.mescoli@kit.edu oder an das Sekretariat der Pressestelle, Tel.: 0721- 608 47414, E-Mail an presse@kit.edu.