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Klimawandel: Bäume und Stadtklima - Dr. Somidh Saha

  • Bäume tragen wesentlich zur Verbesserung des Stadtklimas bei, leiden jedoch selbst unter Hitze und Trockenheit. Der Forstwissenschaftler befasst sich am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des KIT mit der Bedeutung von urbanen Grünflächen und erforscht, wie sich die Widerstandsfähigkeit von Wäldern verbessern lässt.

Widerstandsfähigkeit von Bäumen in urbanen Räumen stärken

Dr. Somidh Saha, ITAS Markus Breig, KIT

„Die Städte müssen die Grünflächen erhalten oder sogar vergrößern, um die Hitzebelastung zu verringern“, sagt Somidh Saha. Durch ihre Schatten und die Verdunstung verbessern Bäume das Mikroklima und können die Erwärmung von Asphalt und Beton reduzieren. „Bäume in Stadtvierteln reduzieren den Stress der Anwohnerinnen und Anwohner, es gibt einen direkten Zusammenhang mit der körperlichen und geistigen Gesundheit der Menschen“, betont der Leiter des vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekts „Inter- und transdisziplinäre Entwicklung von Strategien zur Erhöhung der Resilienz, also der Widerstandsfähigkeit von Bäumen in wachsenden Städten und urbanen Regionen (GrüneLunge)“.

Das artspezifische Potenzial verschiedener Baumarten zur Kühlung der städtischen Umwelt sei für viele Arten noch unzureichend erforscht. „Das Schließen dieser Wissenslücke ist für die Optimierung der Erhaltung, Pflege und Planung städtischer Bäume entscheidend“, sagt der Wissenschaftler. Wie stark Bäume ihre städtische Umwelt kühlen können, hängt mit der Transpirationsrate ihrer Blattfläche zusammen. Während der Transpiration öffnen Bäume ihre kleinen Poren an den Blättern und setzen Wasser frei. Die Größe dieser Stomata genannten Öffnungen und die Dauer des Öffnens oder Schließens variieren stark zwischen den Baumarten. Gibt ein Baum während einer Dürre weiterhin Wasser ab, kann seine Krone absterben oder sogar der ganze Baum. „Städtische Grünplanung sollte deshalb einen Kompromiss zwischen der Kühlkapazität einer Art und ihrer Resilienz gegen Trockenheit berücksichtigen“, empfiehlt Saha. Resilienz bedeutet die Fähigkeit, trotz äußerer Einwirkungen wie dem Klimawandel weiter zu bestehen und wichtige Funktionen aufrechtzuerhalten. Das Verständnis solcher ökophysiologischer Vorgänge beziehe sich bislang hauptsächlich auf den natürlichen Lebensraum von Bäumen in Wäldern. „In Zukunft müssen wir diese Prozesse jedoch im Detail an Bäumen untersuchen, die in gebauter Umgebung wachsen“, so der Leiter einer Nachwuchsforschungsgruppe, die das Dilemma zwischen der Erhöhung der Resilienz und der Aufrechterhaltung der Nachhaltigkeit unter dem Einfluss des Klimawandels in sozial-ökologischen Systemen in einer vergleichenden Studie zwischen natürlichen und gebauten Ökosystemen bewertet.

Eine Herausforderung der städtischen Forstwirtschaft sieht der Experte im fehlenden Platz für Wurzeln, da viele unterirdische Flächen für Infrastruktur gebraucht werden. „Wenn wir den Bäumen einen ausreichenden Wurzelraum bieten, haben wir einen höheren Wasserspeicher im Boden und benötigen weniger Bewässerung“, so der Forstwissenschaftler. Deutschland werde in Zukunft durch zunehmende Dürre anfälliger für Trinkwassermangel werden: „Um den Wasserverbrauch zu reduzieren, sollten wir die Bewässerung von städtischen Bäumen und Wäldern optimieren.“

„Das derzeitige massive Absterben von Bäumen und Wäldern ist die größte Bedrohung für unseren Wald seit den sauren Regenfällen in den 1970er und 1980er Jahren“, sagt Saha. „Die Situation ist düster. Der Prozess des Absterbens ist komplex, aber in den meisten Fällen wirken Dürre und Hitzewellen als auslösende Faktoren.“ Um die Resilienz der Wälder zu erhöhen, gelte es kurz- und langfristige Anpassungsstrategien zu entwickeln. „Innerhalb von fünf bis zehn Jahren sollten wir durch geeignete ökophysiologische Forschung resiliente Baumarten auswählen und den Wachstumsraum zwischen Bäumen durch ein geeignetes Dichtemanagement optimieren sowie die Pflege noch gesunder Bäume intensivieren und die Öffentlichkeit sensibilisieren“, so Saha.

Die Aufgaben für die nächsten 30 bis 40 Jahre sieht der Wissenschaftler unter anderem darin, durch Umwandlung der Monokultur in Mischwälder und größere biologische Vielfalt die Stabilität des Ökosystems zu erhöhen. „Eine Baumart kann sich in ein oder zwei Generationen nicht an den Stress des Klimawandels anpassen. Da Bäume langlebige Organismen sind, wird es Hunderte von Jahren dauern, bis sie sich an neue Bedingungen angepasst haben. Baumarten, die sich in diesem langfristigen Prozess nicht anpassen, werden nach und nach aussterben“, erklärt der Wissenschaftler. Es könnten sich aber auch Eigenschaften - zum Beispiel Trockenheitsverträglichkeit - entwickeln, die in früheren Generationen einer Art nicht ausgeprägt waren. „Eine Art mit höherer genetischer Vielfalt hat also eine bessere Chance, die Auswirkungen des Klimawandels zu überstehen“, sagt Saha. So haben Rotbuchen, die auf trockenen, felsigen Kalksteinflächen wachsen, eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit als jene Rotbuchen, die in feuchten Tälern mit tiefem Boden wachsen. „Daher müssen wir für unsere zukünftigen Pflanzaktivitäten Samen von trockeneren Standorten beziehen“. Weitere langfristige Maßnahmen sieht der Experte darin, das Anpflanzen dürreverträglicherer exotischer Arten - zum Beispiel aus Mittelmeerregionen - zu erproben und neue, dürretolerantere einheimische Arten zu züchten. Wichtig sei es auch, die Forstpolitik im Sinne nachhaltiger und multifunktionaler Bewirtschaftung zu reformieren und alle Interessengruppen einzubeziehen.

„Bäume sterben langsam, wenn auf ein Dürrejahr ein Jahr mit Niederschlägen folgt, können sie sich erholen. Aktuelle Klimamodelle sagen jedoch einen Anstieg der Häufigkeit und des Ausmaßes schwerer Hitzewellen und Dürren voraus, daher werden wir auch weiterhin ein Absterben und vermehrt Krankheiten an Bäumen erleben“, so Saha. „Durch den anthropogenen Klimawandel verursachte Waldschäden könnten zu einem raschen Zusammenbruch der Ökosysteme führen, gefolgt vom Massensterben der Arten in relativ kurzer Zeit“, warnt der Experte. „Aus diesem Grund müssen wir jetzt handeln, damit wir nicht an den Punkt kommen, an dem es keine Umkehr gibt.“ Der Verlust von Wäldern habe, zum Beispiel im Himalaya oder in der Sahelzone, auch zunehmende Armut und politische Instabilität zur Folge. (afr)

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Foto Wald: Markus Breig, KIT
Porträt Dr. Somidh Saha, ITAS: Markus Breig, KIT