Andreas Fink zu Kipppunkten im Klimasystem: Abschmelzen der Westantarktis erscheint unumgänglich – trotzdem positive Trends nicht aus den Augen verlieren

  • Datum: 07.12.2023
  • Mit dem Klimawandel drohen massive Veränderungen im Klimasystem – der Amazonas-Regenwald schrumpft, das Eis in der Antarktis schmilzt, der Atlantik verändert seine Strömung. In diesem Zusammenhang sprechen Forschende auch von Klimakipppunkten. Gemeint sind damit kritische Schwellenwerte: Werden sie durch die klimatischen Veränderungen überschritten, sind sie über Jahrtausende nicht mehr rückgängig zu machen. Die Folgen, mit denen sich auch Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) beschäftigen, sind unaufhaltsame, extreme regionale und globale Klimaveränderungen. Der von der University of Exeter koordinierte Global Tipping Points Report hat nun eine aktuelle Einschätzung zum Thema vorgelegt.


    „Eine solch umfassende Darstellung unseres aktuellen Wissensstandes zu Klimakipppunkten ist bisher einmalig“, sagt Professor Andreas Fink vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung des KIT. Fink selbst beschäftigt sich unter anderem mit dem Westantarktischen Eisschild, das durch sein Abschmelzen einen möglichen Kipppunkt erreichen könnte. „Die Studie zählt die Eisschilde Grönlands und der Westantarktis zu den fünf Kipppunkten, die wir bei einer Erwärmung um 1,5 Grad Celsius in etwa zehn bis zwanzig Jahren sehr wahrscheinlich erreichen – und mit deren Konsequenzen wir uns verstärkt beschäftigen müssen“, erläutert Fink. Ebenfalls in der Studie genannt sind regionale Kipppunkte bei Gletschern und Permafrostböden sowie der für den Amazonas-Regenwald. Dazu kommen mehr als 20 weitere Kipppunkte, die entweder bei höherer Erwärmung eintreten oder bei denen der aktuelle Wissensstand noch zu ungenau ist, um sie klar als Kipppunkt zu deklarieren.


    „Der Kipppunkt des Westantarktischen Eisschilds könnte unmittelbar bevorstehen – mit katastrophalen Folgen für große Städte am Meer“, so Fink. Mit dem Zerfall des Thwaites-Gletschers und weiteren Teilen des Westantarktischen Eisschilds könnte sich der Meeresspiegel um drei Meter anheben. „Ein beschleunigtes Abschmelzen der Westantarktis scheint unumgänglich. Wie stark der Zerfall des gesamten Westantarktischen Eisschilds und der totale Meeresspiegelanstieg sein wird, ist ungewiss. Sicher ist aber: Jedes Zehntelgrad weniger Erderwärmung würde dabei helfen, das Schmelzen von vielen Kubikkilometern Eis zu verhindern und den Meeresspiegelanstieg zu dämpfen“, sagt Fink.


    Zugleich betont Fink, dass der Bericht auch positive Kipppunkte diskutiert, die es wahrzunehmen und zu verstärken gilt. Dazu zählen beispielsweise erneuerbare Energien, E-Mobilität oder fleischarme Ernährung. Diese könnten sich ab einem bestimmten Punkt, ähnlich wie beim Klimakipppunkt, immer schneller verbreiten und dem Klimawandel entgegenwirken. „Verstärkte Forschung zu diesen positiven Kipppunkten, besonders wie wir sie international erreichen können, ist dringend erforderlich, um die Erderwärmung zu begrenzen und dadurch das Erreichen der Kipppunkte zu verlangsamen“, appelliert Fink.


    Professor Andreas Fink im Portal „Expertinnen und Experten des KIT“


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