PD Dr. Joachim Ritter: Verurteilung italienischer Erdbebenforscher

  • Datum: 23.10.2012

Verurteilung italienischer Erdbebenforscher

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

zu Haftstrafen von jeweils sechs Jahren verurteilte ein italienisches Gericht gestern sieben Experten einer Kommission zur Beurteilung von Erdbebengefahren. Sie hätten, so das Gericht, die Gefährdung nicht richtig eingeschätzt und die Bevölkerung nicht ausreichend vor dem Beben gewarnt, bei dem 2009 in den Abruzzen 300 Menschen starben.

 

Mit Erdbebengefährdung und Frühwarnung beschäftigen sich am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Geophysikalischen Instituts (GPI). „Komplexe Vorgänge in der Natur, wie die tektonischen Spannungen im Untergrund und deren Einfluss auf Bruchvorgänge, können nicht mit absoluten Ja- oder Nein-Einschätzungen beschrieben werden. Dies trifft auch auf viele andere Prognosen zu, wie beispielsweise zu den Bahnen und Windstärken von Orkanen“, sagt PD Dr. Joachim Ritter, Leiter des Forschungsbereichs Seismologie am GPI. „Hier muss man eine weite Bandbreite an Szenarien betrachten, die verschiedene Eintrittswahrscheinlichkeiten haben. Aufgrund dieser Szenarien und ihres Risikos, das sich durch die Einwirkung auf Bevölkerung und Infrastruktur ergibt, müssen dann politische Entscheidungen getroffen werden, bei denen klare Verantwortlichkeiten zuzuordnen sind.“

 

Die Kommission bewertete nach Einschätzung Ritters eine Vorbebenserie fälschlicherweise als Erdbebenschwarm, dem kein starkes Hauptbeben nachfolgen würde. „Eine solche Fehleinschätzung kann sich in einem wissenschaftlichen Diskurs ergeben. Es wurde aber versäumt, alternative Szenarien mit folgendem Starkbeben aufzuzeigen“, so der KIT-Experte. „Dieses Versäumnis als fahrlässige Tötung zu werten, ist ungewöhnlich und sehr hart.“ Dennoch dürften sich Wissenschaftler nicht aus der Verantwortung zurückziehen, die Gefährdung der Bevölkerung durch Naturereignisse zu beurteilen. „Unabhängige Wissenschaftler sollten immer in der Lage sein, basierend auf ihren besten Daten und Modellen Aussagen zu treffen. Hierbei müssen aber alle möglichen Szenarien diskutiert werden und Entscheidungsträger sollten auch den „worst case“ akzeptieren, selbst wenn seine Eintrittswahrscheinlichkeit sehr gering ist.“ Im Fall von L’Aquila lege ein nachträglich veröffentlichtes Telefonat nahe, dass die Stadtverwaltung und der Zivilschutz ein beruhigendes Statement der Kommission erwarteten. Um solche „gewünschten“ Einschätzungen zu vermeiden, sei die Trennung zwischen wissenschaftlich fundierter Prognose und der Beurteilung durch politische Entscheidungsträger unbedingt erforderlich. „Maxime sollte immer die Unabhängigkeit der wissenschaftlichen Berater sein“, so Ritter.

 

Für weitere Fragen steht PD Dr. Joachim Ritter zur Verfügung. Den Kontakt stellt die Abteilung Presse gern her. Sie erreichen uns telefonisch unter 0721-608 48121 oder per E-Mail an margarete.lehne∂kit.edu.

 

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